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Rückblick: So lief der Infoabend zur aktuellen Situation im Mittelmeer

Am Donnerstag (7.3.) waren Vertreter von „Together we are Bremen“ und „Solidarity at Sea“ in den Fanräumen zu Gast. Dabei gaben sie Einblicke in die aktuelle Situation auf dem Mittelmeer und berichteten von der Kriminalisierung, der sie ausgesetzt sind.

Die Iuventa ist ein Schiff, das innerhalb eines Jahres über 14.000 Menschen aus Seenot gerettet hat. Sie war als ziviles Rettungsschiff vor der libyschen Küste im Einsatz, bis sie am 2. August 2017 von den italienischen Behörden beschlagnahmt wurde. Der Vorwurf unter anderem: „Beihilfe zur illegalen Einreise“ und „Waffenbesitz“.

Seit Juni 2018 ist bekannt, dass auch gegen zehn ehemalige Crewmitglieder ermittelt wird. Der Vorwurf lautet auch hier: „Beihilfe zur illegalen Einreise“. Es drohen Haftstrafen bis zu 20 Jahren, horrende Geldstrafen und Verfahrenskosten im sechsstelligen Bereich. Zwischenzeitlich haben fünf verschiedene Behörden gegen die Crews der Iuventa ermittelt. Doch davon wusste die Crew im Mai 2017 noch nichts, als das Schiff das erste Mal nach Lampedusa beordert wurde.

Die Iuventa war nicht dafür gedacht, Transferfahrten nach Italien zu machen. Das Schiff war ein sogenannter First-Responder – also Ersthelfer – das dafür gedacht war, die Lage vor Ort zu stabilisieren, also Rettungswesten zu verteilen und medizinische Notfälle im Bordkrankenhaus zu versorgen. In Notfällen konnten auch mal für einen kurzen Zeitraum mehrere hundert Menschen an Bord genommen werden. Für längere Fahrten mit Gästen an Bord war das Schiff aber nicht geeignet. Dies war der Seenotrettungsleitstelle (MRCC) in Rom bekannt und es war auch so akzeptiert. Deswegen war es umso ungewöhnlicher, als die Iuventa im Mai 2017 mit fünf Gästen an Bord nach Lampedusa fahren sollte. Das gab es vorher noch nie und diese fünf Menschen hätten auch von anderen NGO-Schiffen transportiert werden können, die bereits auf dem Weg nach Norden waren.

Im Morgengrauen kamen dann auch – wie befürchtet – die ersten Notrufe anderer NGO-Schiffe, die Boote gesichtet hatten und die Iuventa dringend vor Ort brauchten. Das MRCC in Rom blieb aber hart. Die Iuventa musste nach Lampedusa und die fünf Migrant*innen dort abliefern. In den drei Tagen, in denen die Iuventa nicht vor Ort sein konnte, gab es insgesamt 23 Notrufe. Fünf Boote sind in diesem Zeitraum verschwunden – zwei Holzboote und drei Gummiboote mit mindestens 1.000 Menschen. Verschwunden heißt in diesem Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ertrunken. Erst im August 2017 erfuhr die Crew den eigentlichen Grund für diese außergewöhnliche des MRCC in Rom. Das Schiff wurde beschlagnahmt und damit gab es Akteneinsicht. Der Aufenthalt im Mai auf Lampedusa wurde von einer anderen Behörde dazu genutzt, die Brücke der Iuventa zu verwanzen und so die Gespräche der Crews über die nächsten drei Monate zu belauschen.

Eine Behörde, die dafür zuständig ist, das Sterben von Menschen auf See zu verhindern, nahm also bewusst in Kauf, dass 1.000 Menschen ertranken, weil es wichtiger schien, die Brücke eines Rettungsschiffes zu verwanzen! Über Monate hinweg ermittelten insgesamt fünf verschiedene Behörden – unter anderem Geheimdienste und die Anti-Mafia-Polizei – gegen die Crews der Iuventa. Gefunden haben sie nichts. Alle Vorwürfe, die zur Beschlagnahmung des Schiffes führten, sind mittlerweile widerlegt. Trotzdem wird weiter gegen die Crews ermittelt. Ein Prozess gegen einzelne Crewmitglieder wird vermutlich in der zweiten Jahreshälfte starten.

Auch hier in Deutschland haben Migrant*innen große Probleme im Umgang mit Behörden, die ihr Leben hier deutlich erschweren. Die Gruppe „Together we are Bremen“ besteht aus minderjährigen Geflüchteten, die sich selbst organisiert haben, um die Schließung ihrer Unterkunft in der Gottlieb-Daimler Straße in Bremen zu erzwingen. Sie wurden von den Behörden nicht als minderjährig anerkannt und fielen deswegen aus den Sozialsystemen heraus und mussten unter unhaltbaren Zuständen in einer Unterkunft am Rande der Stadt leben. Die Unterkunft ist nach massiven Protesten mittlerweile geschlossen, die ehemaligen Bewohner*innen sollen jetzt auf andere Städte verteilt werden. Weil sie sich zu erfolgreich selbstorganisiert hatten, soll ihre Gruppe auseinandergerissen werden. Im Moment versuchen sie über Spenden ihr Leben und ihren Kampf in Bremen zu finanzieren. Sie gehen hier zur Schule und haben hier ihre Freunde und sozialen Zusammenhänge. Momodou ist einer von ihnen und er sitzt seit über zwei Wochen in Bremen in Abschiebehaft – sein Verbrechen: Er wollte in Bremen zu Hause sein!

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Mehr Infos findet Ihr hier:

 

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