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Ein neuer Blick auf die Stadt - U23-Rundgang mit Hinz&Kunzt

Unser Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) setzt in seiner Arbeit neben dem sportlichen Aspekt auch auf die Wertevermittlung abseits des Platzes. Am Mittwoch (17.7.) nahm nach unserer U19 und U17 auch unsere U23 an einem Stadtrundgang teil, der von zwei Mitarbeitern des Straßenmagazins Hinz&Kunzt geleitet wurde.

Traurige, schüchterne Augen schauen an Haralds Beinen vorbei. Seinen Hund Cookie hat Harald auf der Straße aufgegriffen. Die komplette Lebensgeschichte kennt nur der zehnjährige Vierbeiner selbst. Cookie weicht Harald kaum von der Seite. Vermutlich auch, weil beide eine gewisse Vergangenheit vereint. Harald und auch Chris, die gemeinsam die braun-weißen Gäste (17 Spieler, zwei Trainer) durch den Vormittag leiteten, waren nämlich beide jeweils sieben Jahre lang selbst obdachlos.

Der Weg auf die Straße ist kürzer, als man denkt. Alkohol und Drogen sind nicht weit weg. Die Einsamkeit vereint, der Konsum verbindet. Bevor der Stadtrundgang begonnen hatte, versuchten Harald und Chris ihre Erfahrungen an die Jungs weiterzugeben. Auf der einen Seite mit Freude über den überwundenen Lebensabschnitt, auf der anderen Seite mit Schmerz an die Erinnerung. Doch aus der Scham ist Stolz geworden. "Nachdem ich von der Straße runter war, habe ich die Rechnungen für meine ersten zwölf Monatsmieten eingerahmt und an die Wand gehangen", erinnert sich Chris.

Harald und Chris haben über Hinz&Kunzt ihren Weg von der Straße zurück in eine Wohnung geschafft. Das Straßenmagazin hilft durch Projekte Arbeitsstellen für Obdachlose zu schaffen. Die beiden Stadtführer sind in Teilzeit angestellt.

Bevor die Kiezkicker ihren Rundgang starteten, signierten die Nachwuchsspieler fleißig ein Trikot für ihre Wegbegleiter. "Ich bin Schalke-Fan", räumt Chris ein. "Aber seitdem Gerald Asamoah hier gespielt hat, kommt St. Pauli direkt dahinter." Chris redet schnell, gestikuliert dabei viel und trägt das Herz definitiv auf der Zunge. Die St. Paulianer werden auf eine ganz eigene Art mit einer anderen Welt konfrontiert und dafür sensibilisiert. Und vermutlich haben sie dadurch den folgenden Gang im Umfeld des Hauptbahnhofs auch mit anderen Augen betrachtet.

Nur aus der Ferne schauen die Boys in Brown über das Schienennetz am Hauptbahnhof auf das gegenüberliegende Drob Inn. Eine Einrichtung, in der sich Menschen sammeln, um kontrolliert ihre Drogen einzunehmen. Diesen Ort meidet Harald lieber. Schließlich vergisst das Suchtgedächtnis nicht. Danach halten Kiezkicker noch beim Stützpunkt für Obdachlose und der Schwerpunktpraxis von der Caritas. Hier verabschieden sich Harald und Cookie, auf die eine weitere Gruppe wartet. Im Jahr machen Chris und Harald über 400 dieser Führungen und teilen ihre Lebenserfahrungen.

Die letzten Meter des Rundgangs leitet Chris im Alleingang und zeigt den Jungs eine Wohn- und Essensstelle sowie die Bahnhofsmission. Am Hühnerposten endet die kleine Führung. Chris bekommt sein signiertes Trikot überreicht und verabschiedet sich von den Boys in Brown. Ein besonderer Vormittag, der auf seine Weise in Erinnerung bleibt.

 

(ms)

Foto: FC St. Pauli 

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